Mythos Talent

Zeichenkurse

 

 

Braucht man überhaupt Talent, um zeichnen zu können?

 

                                                       Jeder Beruf hat die eine Frage, die einem immer und immer wieder gestellt wird. Bei Künstlern ist es in der Regel

 

Dafür braucht man bestimmt ganz viel Talent, oder?“

(Und ja „Kann man davon leben“ kommt gleich auf Platz 2 ;))

 

Ein klares Jein

 

Diese Frage zu beantworten ist nicht ganz einfach. Wie so häufig läuft sie auf ein klares Jein hinaus und bewegt sich zwischen den Extremen „Nur mit viel Talent kann man richtig gut zeichnen lernen“ und „Jeder kann zeichnen lernen.“

 

Nach 10 Jahren Erfahrung als Zeichenlehrerin kann ich immer wieder zwei Dinge feststellen:

 

  1. Ja, manche Schüler tun sich sehr viel leichter als andere und erzielen schon nach kürzester Zeit schöne Ergebnisse (meist stellt sich allerdings heraus, daß sie bereits in der Kindheit viel gezeichnet haben), wohin gegen es den ein oder anderen Fall gibt, der nur sehr mühsam vorankommt.

    Manche Menschen haben ein gewisses „Talent“ für das Zeichnen, manche tun sich schwer.

  2. Aber: „Talent“ ist keine Voraussetzung!

    Mir sind in meiner Laufbahn schon sehr viele Zeichenschüler begegnet, die am Anfang nicht besonders begabt erschienen, die sich aber durch hartnäckiges Üben zu wirklich guten Zeichnern entwickelt haben.

     

Wohl könnte man die grobe Formel aufstellen:

 

Talent x Übung = Zeichenfertigkeit

 

(Wobei „Talent“ nie bei 0 liegt. Solange Sie einen Stift halten können, können Sie zeichnen) Eine Veranlagung ist natürlich immer sehr hilfreich um eine Fertigkeit zu erwerben, aber sie ist selten eine Bedingung (es sei denn Sie wollen mit 1,50m Basketball-Profi werden ;))


Das größte Talent geht unter, wenn es nicht durch stetiges Üben geformt wird.

Wer als Kind oder Jugendlicher aufgrund seines Talents groß gefeiert wird, macht häufig die schmerzhafte Erfahrung, daß weniger Begabte im Studium an ihnen vorbeiziehen. Die Talentierten halten ihre „Gabe“ für selbstverständlich und vernachlässigen das Üben. Wer sich aber von Anfang an anstrengen muß, der übt und übt und übt und ist eines Tages besser, als der „Talentierte“.
In der Musik schaffen es z.B. die wenigsten Wunderkinder, ihre Karriere auch im Erwachsenenalter fortzusetzen.

Warum setze ich „Talent“ in Klammern, mögen Sie sich fragen.

Die Antwort darauf ist, daß es im Grund kein „Zeichen“-Talent gibt.


Ein Talent für eine Fertigkeit setzt sich in der Regel aus Teilfertigkeiten zusammen.

Beim Zeichnen ist es vor allem die Veranlagung, genau wahrzunehmen, Details zu registrieren und sich Formen und Farben merken zu können. Eine hohe Fingerfertigkeit ist natürlich auch von Bedeutung. Aber nicht zuletzt braucht es Konzentration und Genauigkeit, insbesondere wenn es um realistisches und fotorealistisches Zeichnen geht.
Schüler, die irgendwann zu guten Zeichnern werden, erkenne ich sehr häufig daran, wie versunken sie in ihr Tun sind. Jemand, der eine Stunde kaum ein Wort von sich gibt und jeden Strich ganz penibel setzt, wird sehr wahrscheinlich Erfolg haben (wobei gerade diese Menschen sich dann mit dem intuitiven, expressiven Zeichnen eher schwer tun).

 

Das Wichtigste beim Zeichnenlernen ist auf jeden Fall: Interesse!

 

Man muß es wollen! Wer nicht wirklich bei der Sache ist und keinen Spaß am Zeichnen hat, wird irgendwann aufgeben.

 

Ich war als Teenager nicht sonderlich gut im Portraitzeichnen. Meine Versuche waren eher durchschnittlich. Aber ich hatte einfach Spaß am Zeichnen und habe nie aufgegeben. Mit den Jahren kam dann die Erfahrung und der Erfolg.

Mittlerweile habe ich immer wieder Schüler und Schülerinnen, die im Vergleich zu mir in diesem Alter, wesentlich besser sind!

Deshalb: Lassen Sie sich nie entmutigen. Solange Sie Freude am Zeichnen haben, Zeichnen Sie! Haben Sie Spaß!

 

Zurück

Kommentare

Einen Kommentar schreiben